Galerie ABTART Stuttgart
Einzelausstellung / solo exhibition
Objekte, Tableaux, Installationen
Bis 14. März 2015 /
Until 14th of March 2015
Eröffnung Freitag, 16. Januar 2015, 19.30 Uhr
Einführung: Adrienne Braun (Art Magazin, Stuttgarter Zeitung, Kunstkritikerin Stuttgart)
One Artist Show Art Karlsruhe 2015 via Galerie ABTART
Stand H2/D23
05. – 08. März 2015
	
	 
	
		
			
				 
			
			
				16. Januar 2015
				Photo: Nina Martens
			 
			 
	
		Rede zur Eröffnung von Adrienne Braun
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
wollen Sie reich werden? Das große Geld, den ganz fetten Gewinn machen? 
Trauen Sie sich! Riskieren Sie es! Nur wer wagt, kann schließlich gewinnen! No risk, no fun!
Aber
 wenn Sie das große Los ziehen, dann, ja was dann? Wird das Leben dann 
gut, besser, perfekt? Werden Sie Glückseligkeit finden? Gar etwas so 
Altmodisches erleben wie schiere Zufriedenheit? 
Damit darf ich Sie 
herzlich begrüßen bei der Ausstellung von Boris Petrovsky. Willkommen im
 Paradies, in der modernen Welt der Glücksverheißungen. Denn in 
„Jokermate“, der zentralen Installation dieser Ausstellung, lockt uns 
Boris Petrovsky in eine Art Parcours, Vergnügungspark, 
Verkehrsübungsplatz. „Enter now“ lautet die  Begrüßung – oder ist es ein
 Kommando? Was für eine Art „Service“ wird uns geboten werden? 
Wie 
ein moderner Zeremonienmeister steht der Joker bereit, diese zwielichte,
 höchst ambivalente Gestalt: Ursprünglich ist der Joker ein Mörder und 
Krimineller, ein Verführer und böser Clown. Zugleich ist er 
Hoffnungsträger, der die schöne Illusion schürt, dass wir gar nicht 
verlieren können, dass wir alle in dieser schönen Welt der Verheißungen 
Gewinner sind. Wenn die Kandidaten bei „Wer wird Millionär“ die richtige
 Antwort nicht parat haben, dann rettet sie der Joker. Permanent scheint
 er uns zuzuraunen: Jedes Los gewinnt.  
Die Installation „Jokermate“
 ist ein Symbol für das käufliche Vergnügen à la Las Vegas, für die 
falschen Verheißungen der Spielhölle, und zugleich für die 
Heilsversprechungen der Medien und Konsumgesellschaft, die uns 
vorgaukeln, uns Glück verschaffen zu können – ob es materieller Art ist,
 Geld, ein Produkt, ein technisches Spielzeug, oder ob es sich um 
mediale Aufmerksamkeit handelt. 
Immer wieder benutzt Boris Petrovsky
 in seinen Arbeiten ausrangierte Leuchtkästen und Neonwerbung, 
Versatzstücke aus der Konsumwelt, die er in den künstlerischen Kontext 
transferiert und in technisch aufwendige, interaktive Installationen 
verwandelt. Die von ihm genutzten Elemente sind uns meist vertraut, 
manches können wir konkret zuordnen, anderes löst vage Erinnerungen oder
 Konnotationen aus. 
Boris Petrovsky will uns als Betrachter 
einbinden, wir dürfen oder sollen partizipieren an seinen künstlerischen
 Projekten, bei denen er Strategien der Vergnügungsindustrie oder neuen 
Medien, der Tele- und Massenkommunikationsmittel imitiert. Immer wieder 
ist Petrowskys Thema das Glück und können die Rezipienten etwa Wünsche 
formulieren und in diese von ihm konstruierten 
High-Tech-Künstleruniversen einspeisen. Bei „Jokermate“ können Sie per 
SMS eine Botschaft senden. Unsere Nachrichten werden in blinkende 
Lichtimpulse übersetzt. Das, was wir Individuen aus Fleisch und Blut 
auszudrücken versuchen, wird in binäre Codes umgewandelt, wird diesem 
elektronischen Licht-Impuls-System sozusagen eingeschrieben, 
verflüchtigt sich in der seelenlosen Neonwelt. Und postwendend erhalten 
wir eine Antwort: „Du willst es doch auch“ oder „Lass uns uns nachher 
treffen“ – stereotype Floskeln, die suggerieren, unserE Bedürfnisse, 
Sehnsüchte, Werte besser zu kennen als wir selbst. 
„Enter now“ 
lautet die Botschaft, die aber sofort konterkariert wird: „Do not enter“
 – wodurch deutlich wird: wir sind nur ein Spielball dieser 
automatisierten Vergnügungsindustrie, die uns doch angeblich dienen und 
glücklich machen will. Bloß: Wann gehören wir dazu, wann werden wir 
ausgeschlossen? Dient das System tatsächlich uns - oder letztlich doch 
sich selbst? Bekommen wir Zutritt? Oder heißt es: Wir müssen leider 
draußen bleiben?
„Macht mit mir“ hat Boris Petrovsky seine 
Ausstellung überschrieben, in der er formal ganz unterschiedliche 
Arbeiten zeigt: Da sind etwa die Glasobjekte, eigenwillige geometrische 
Körper, die unfertig zu sein scheinen, und wie abgelegt beiläufig 
arrangiert wurden. Es ist eine für Boris Petrovsky eher untypische 
Arbeit, weil die Gläser in einer Glashütte in Tschechien manuell 
gefertigt wurden. Diese mundgeblasenen Objekte, die vorgeben, nützlich, 
schnöde funktional zu sein, umweht doch eine fast poetische Schönheit 
und Sinnlichkeit. Das glatte, klare Glas bricht das Licht und diese 
Transparenz verwechselt man leicht mit Transzendenz. Im Durchscheinenden
 vermutet man ein umso größeres Geheimnis, ja Magie. 
Ganz irdisch 
sind dagegen die Wandarbeiten, Tableaux nennt Petrovsky sie. Es handelt 
sich um Digitaldrucke auf Aluminium, hergestellt nach einem besonderen 
Verfahren für Schilder, die im technischen Bereich eingesetzt werden - 
auf Maschinenteilen oder Rohrleitungen - und entsprechend robust sein 
und Säuren und Feuchtigkeit standhalten müssen. Es ist also ein 
Material, das besondere Sicherheit garantiert, womit wir beim Thema 
wären: Die Motive dieser zugrunde gelegten Fotografien erzählen von 
Anleitungen, von Hinweisen und Schildern mit Signalwirkung: Hier ein 
Drehknopf mit der Angabe der „Nullstellung“, dort eine Tankstelle, an 
der es „Wasser Luft Öl“ gibt. Wir haben es mit Ordnungssystemen zu tun, 
die Orientierung bieten im Alltag, mit Erklärungen oder 
Produktinformationen wie beim Typenschild einer Mikrowelle. 
Doch es 
handelt sich nicht immer nur um sachliche Information, sondern häufig 
stecken hinter den Fakten Warnhinweise: „Vorsicht Baustelle“ oder „Im 
Brandfall nicht benutzen“. Selbst im Kunstmuseum lauert der Tod: 
„Vorsicht Hochspannung Lebensgefahr“. 
In unserer modernen Welt 
greifen Steuerungssysteme, Kontrollsysteme, Automatisierung und Hightech
 höchst komplex ineinander – und die Fotografien der Tableaux erzählen 
davon, wie das Streben nach Ordnung unseren Alltag durchzieht. All 
überall lassen sich Sicherheitssysteme und Ordnungssysteme ausmachen, 
Mülltrennung, Pfandsystem, Rabattsystem. Ganz selbstverständlich bewegen
 wir uns innerhalb dieser Strukturen, die uns enormen Komfort und 
Lebensqualität bieten. Ähnlich wie der Joker versprechen uns auch diese 
zivilisatorischen Errungenschaften ein bestimmtes Lebensgefühl: Komfort,
 Behaglichkeit, Glück. 
Indem Boris Petrovsky diese fotografischen 
Alltagsimpressionen unter die Überschrift „Macht mit mir“ stellt, lenkt 
er den Blick aber zugleich auf die Kehrseite dieser Systeme. Sie ordnen,
 aber beschränken auch, sie geben Sicherheit und Verlässlichkeit, aber 
beschneiden uns eben auch. Alles will organisiert und kontrolliert sein,
 damit wir abgesichert sind, Macht über die Dinge bekommen, das 
Unwägbare ausschließen können - und alles im Griff haben. 
Der 
Fortschritt, gemahnt uns Boris Petrovsky, hat seinen Preis. Eine hoch 
technisierte Lebenswelt, die alle Risiken ausschließen will, muss 
organisiert, reglementiert, kontrolliert werden. Dort, wo um absolute 
Beherrschbarkeit gerungen wird, muss sich der Mensch im Gegenzug auch 
unterordnen. Das selbst angelegte Korsett muss sogar immer enger 
geschnürt werden, um den Zufall, den Ernstfall auszuschließen. Je mehr 
Macht die schöne neue Welt uns verleiht, desto mehr Macht gewinnt sie 
auch über uns. „Enter now“ – „Do not enter“. Die absolute Kontrolle 
führt zu absoluter Gängelung. 
Mehr noch: Je perfekter die Systeme 
greifen, desto größer und brodelnder die Angst: Was, wenn der 
Reifendruck bei 200 km/h nicht mehr stimmt? Was, wenn die Tankstelle 
explodiert oder gar der größte anzunehmende Unfall eintritt? „Macht mit 
mir“ – Diese neue Welt hat Macht, sie macht etwas mit mir, schürt die 
stete Angst vor dem Kontrollverlust. 
So stecken in den Arbeiten von 
Boris Petrovsky zahllose Assoziationen und Konnotation – bis hin zu 
philosophischem Hintersinn. Denn indem er auf die Fotografien immer 
wieder den Slogan „Macht mit mir“ druckt, betritt er die verminten 
Felder von Linguistik und Semiotik, berührt das Verhältnis von 
signifiant und signifié, Bezeichnendem und Bezeichneten. Er wirft Fragen
 auf zum Zusammenspiel von Bild und Sprache, Zeichen und Handlung. 
Deshalb
 bleibt mir nicht mehr zu sagen, als dem Aufruf des Jokers zu folgen: 
Enter now. Treten sie ein in die Welt der Zeichen, Warnungen und 
Signale, der Verheißungen und Versprechungen – treten sie ein in den 
Mikrokosmos von Boris Petrovsky, der uns sehr viel über unsere moderne 
Lebenswelt verrät – und über uns. Schicken Sie eine Botschaft per SMS, 
folgen sie den Anweisungen und Signalen, aber gehen Sie nicht über Rot, 
Und ich bin sicher, Sie werden in Zukunft nicht mehr ohne weiteres dem Joker und seinen Glücksverheißungen trauen.